Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem aktuellen Beschluss (I ZB 6/25 vom 11. September 2025) wichtige Klarstellungen zu den Anforderungen an die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung getroffen, die für alle Unternehmen und Markenstrategen von großer praktischer Relevanz sind.
Im Kern des Verfahrens stand die Löschungsklage gegen die deutsche Wortmarke „Testa Rossa“ (angemeldet 2013) eines Unternehmers aus der Spielzeug- und Modellautobranche, die von einem bekannten italienischen Sportwagenhersteller (Inhaber älterer „Testarossa“-Marken) wegen bösgläubiger Anmeldung angefochten wurde.
Die wichtigsten Erkenntnisse für die Praxis:
1. Behinderungsabsicht ist zwingend erforderlich:
Für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung ist eine Schädigungs- oder Behinderungsabsicht des Anmelders hinsichtlich Drittinteressen erforderlich. Es genügt jedoch, dass diese Absicht generell auf Drittinteressen gerichtet ist; ein Bezug zu einem konkreten Dritten ist nicht erforderlich.
2. Hohe Hürden für den Nachweis der Bösgläubigkeit (Feststellungslast)
Die Beweis- bzw. Feststellungslast dafür, dass eine Marke bösgläubig angemeldet wurde, trägt derjenige, der die Löschung beantragt.
- Der Nichtigkeitskläger muss schlüssige und übereinstimmende objektive Indizien vorlegen, die die Vermutung der Gutgläubigkeit des Markeninhabers widerlegen.
- Erst wenn diese Indizien vorliegen, ist der Markeninhaber am Zug: Er muss plausible Erklärungen zu den Zielen und der wirtschaftlichen Logik der Anmeldung abgeben.
3. Lizenzierungsabsicht ist keine “funktionswidrige” Anmeldung
Die Anmeldung einer Marke zu Spekulationszwecken kann Bösgläubigkeit darstellen, insbesondere die Hortung einer Vielzahl von Marken ohne ernsthaften Benutzungswillen, um Dritte mit Ansprüchen zu überziehen.
Allerdings stellt die geplante Verwendung der Marke im Wege der Lizenzierung durch den Anmelder keine funktionswidrige Nutzung dar.
- Der BGH stellt klar, dass eine Marke auch im Falle ihrer Lizenzierung ihrer Hauptfunktion – der Herkunftsfunktion – entsprechend benutzt wird.
- Der Anmelder muss zum Zeitpunkt der Anmeldung weder konkret wissen noch angeben, wie er die Marke nutzen wird, da ihm die fünfjährige Benutzungsschonfrist zur Verfügung steht.
4. Relatives Schutzhindernis reicht nicht aus
Der bloße Umstand, dass ein Zeichen hochgradig ähnlich oder identisch mit einer bekannten älteren Marke ist, oder dass der Anmelder vom guten Ruf einer fremden Marke profitieren will (“Trittbrettfahren”), reicht allein nicht für die Annahme der Bösgläubigkeit aus.
Fazit:
Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Markenanmelder, die möglicherweise zukünftige Lizenzgeschäfte oder neue Geschäftsfelder erschließen wollen. Sie unterstreicht, dass die Annahme von Bösgläubigkeit im Markenrecht ein subjektives Element (Behinderungsabsicht) voraussetzt und hohe Anforderungen an den Nachweis stellt, der primär beim Antragsteller liegt. Damit wird die Darlegungspflicht für die Annahme einer Bösgläubigkeit stark auf die Seite des älteren Markeninhabers verschoben. Dies gilt offenkundig auch für bekannte Marken.
