Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren beim Europäischen Patentamt – die Entscheidung G 3/19 „Pepper“

In ihrer Entscheidung G 3/19 „Pepper“ vom 14. Mai 2020 hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts entschieden, dass Europäische Patente nicht mehr auf Pflanzen und Tiere erteilt werden, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren (wie Züchtung und Kreuzung) gewonnen werden.

Dies ist eine bemerkenswerte Abkehr von der eigenen älteren Rechtsprechung „Brokkoli II“ und „Tomaten II“ (G 2/12 und G 2/13 vom 25.3.2015), in der die Große Beschwerdekammer Art. 53 b) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) so ausgelegt hat, dass er nur die „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ von der Patentierbarkeit ausnimmt, aber nicht die mit diesen Verfahren gewonnen Pflanzen und Tiere.

Diese ältere Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer hatte einen ziemlich starken Gegenwind entfacht und führte zu einer Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ (EPÜAO), da eine Änderung des EPÜs selbst recht aufwändig und langwierig ist.

Die am 01. Juli 2017 neu eingeführte Regel 28 (2) EPÜAO spezifiziert, dass nach dem eingangs genannten Artikel auch die Produkte dieser Verfahren, nämlich die Pflanzen oder Tiere, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.

Dadurch entstand aber zumindest nach Auffassung einer Beschwerdekammer (T 1063/18 vom 05. Dezember 2018) ein Konflikt zwischen Art. 53 b) EPÜ, der nach der damals gültigen Interpretation der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer nur die „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ von der Patentierbarkeit ausnimmt (aber nicht die mit diesen Verfahren gewonnen Pflanzen und Tiere), und der neuen Regel 28 (2) EPÜAO, die explizit spezifiziert, dass nach dem eingangs genannten Artikel auch die Produkte dieser Verfahren, nämlich die Pflanzen oder Tiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Art. 164 (2) EPÜ besagt nun aber, dass bei mangelnder Übereinstimmung zwischen beiden Normen das EPÜ vorzugehen hat.

Die Große Beschwerdekammer hat mit Ihrer jetzigen Entscheidung diesen Konflikt dadurch gelöst, dass sie in Abkehr Ihrer alten Rechtsprechung eine Neuinterpretation des Art. 53 b) EPÜ vorgenommen hat und im Sinne der EU und der Mehrheit der Mitgliedsstaaten klargestellt, dass auch die Produkte, nämlich Pflanzen und Tiere, dieser im Wesentlichen biologischen Verfahren nicht patentierbar sind. Durch die Interpretation des Patentierbarkeitsausschlusses steht Regel 28 (2) EPÜAO nun auch nicht im Konflikt mit Art. 53 b) EPÜ.

Diese neue dynamische Interpretation hat, wie in G 3/19 ausgeführt, allerdings keinen rückwirkenden Effekt auf Patente oder Patentanmeldungen, die vor dem Tag des Inkrafttretens der Regel 28 (2) EPÜ (01.07.2017) erteilt bzw. eingereicht wurden. Solche unterliegen noch der alten konträren, anmelderfreundlicheren Interpretation.

Nicht betroffen von der Entscheidung sind Mikroorganismen und Zellen, sowie Pflanzen und Tiere, die durch mikrobiologische Verfahren gewonnen werden (z. B. durch Gentransfer). Diese bleiben grundsätzlich weiterhin dem Patentschutz zugänglich, sofern die Erfindung nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist und bei Tieren kein weiterer ethischer Patentierungsausschluss vorliegt.

Pflanzenzüchtungen (die mit im Wesentlichen biologischen Verfahren erhalten wurden) sind trotzdem der Nachahmung nicht völlig preisgegeben. Sie sind auf Antrag dem Sortenschutz zugänglich.

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